Schmerzen von Kriegs- und Folteropfern ausreichend Beachtung schenken

Zum Abschluss der 18. Schmerzwochen rückt die Österreichische Schmerzgesellschaft eine besonders vulnerable Patientengruppe in den Mittelpunkt: Opfer von Folter und Krieg sind oft von massiven körperlichen und psychischen Schmerzen geplagt. In Österreich fehlt es an spezialisierten Einrichtungen für diese Patientengruppe, so ÖSG-Präsidiumsmitglied OA Dr. Wolfgang Jaksch.

Wien, 15. Februar 2019 – Menschen mit Kriegs-, Folter- oder Fluchterfahrungen entwickeln als Reaktion auf ihre Erlebnisse oft eine komplexe Schmerzsymptomatik. „Schmerzen, die im Zusammenhang mit derartigen Traumata entstehen, verdienen besonderes Augenmerk. Doch dafür fehlt es vielfach am nötigen Bewusstsein und vor allem an speziellen Angeboten“, so ÖSG-Präsidiumsmitglied OA Dr. Wolfgang Jaksch anlässlich der 18. ÖSG- Schmerzwochen. Die ÖSG-Informationskampagne richtete heuer den Fokus besonders auf die Schmerzversorgung von vulnerablen Personen, das heißt von Menschen, deren Leiden tendenziell übersehen oder falsch eingeschätzt werden. Laut Patientencharta haben alle Menschen in Österreich einen gesetzlich abgesicherten Anspruch auf bestmögliche schmerzmedizinische Versorgung. „Das gilt selbstverständlich auch für die Opfer von Folter und kriegsbedingter Gewalt, die bei uns Schutz und Hilfe suchen“, sagt OA Jaksch. Es sei wichtig, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um auch für diese Menschen die Schmerzversorgung zu verbessern.

Schmerz schottet vor Erlebtem ab

In Wien verfolgt das Betreuungszentrum des Vereins Hemayat einen umfassenden Behandlungsansatz: Es bietet Folter- und Kriegsüberlebenden verschränkte medizinische, psychologische und psychotherapeutische Betreuung. „Physische Schmerzen aufgrund der Folter- und Kriegsverletzungen und -erfahrungen stehen in einer schwierigen Wechselwirkung mit psychischen Erkrankungen wie Depression, pathologischen Trauerreaktionen, postraumatischen Belastungsstörungen, Panikattacken oder anderen Angsterkrankungen“, berichtet Dr. Erika Trappl, die Folter- und Kriegsopfer im Verein allgemeinmedizinisch versorgt. Das komplexe Zusammenspiel von Körper und Seele beeinträchtigt die Betroffenen massiv im Alltag. Sie können beispielsweise oft einem dringend notwendigen Sprachkurs nicht folgen oder schaffen es nicht mehr, ihre Kinder zu versorgen. „Manchmal vereinnahmen Schmerzen die ganze Persönlichkeit, obwohl sie keine körperlich adäquate Ursache haben. So bleibt kaum Kraft mehr für andere Aspekte des Lebens. Es bildet sich eine Schmerzidentität heraus, die hilft, sich von Erlebtem in Vergangenheit und Gegenwart abzuschotten“ so Dr. Trappl. Gelingt es Betroffenen, die bewusste Erinnerung an Krieg oder Folter zu vermeiden, artikulieren sich die verdrängten Traumata häufig in Form von körperlichen Symptomen. Dr. Barbara Preitler, Psychotherapeutin bei Hemayat, erklärt: „Die Erinnerung an die körperlichen und seelischen Verletzungen müssen in einem therapeutischen Prozess erst langsam wiederentdeckt, verbunden und bearbeitet werden.“ Schmerz kann auch eine Form der Mitteilung sein: Der schmerzenden Körper drückt aus, was Worte nicht zu fassen vermögen.

Geeignete Schmerztherapien zur Verfügung stellen

Ein idealisiertes Bild von der westlichen Medizin kann die Behandlung von Folteropfern aus anderen Kulturkreisen zusätzlich erschweren. Häufig wird die Hoffnung von Menschen mit Folterfolgen enttäuscht, ihre Schmerzen könnten vollständig beseitigt werden. „Wir müssen leider oft vermitteln, dass auch unsere Medizin Grenzen hat und Folteropfer weiter mit vielen Beschwerden und Einschränkungen leben müssen“, sagt Dr. Trappl. Gute Schmerzmedikation kann die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten jedoch entscheidend verbessern. „Wenn der betroffene Mensch davon überzeugt ist, dass das Schmerzmittel hilft, kommt es zu großer Erleichterung“, so Dr. Trappl. Die Behandlung mit Schmerzmedikamenten alleine reicht allerdings nicht aus. Welche Zusatztherapien geeignet sind und wie diese ablaufen, muss bei Opfern von Folter und schweren Menschenrechtsverletzungen genau vorbesprochen und erklärt werden. Keinesfalls darf dabei ein Gefühl des Kontrollverlustes und der Hilflosigkeit entstehen. Die Erfahrung hat den Ärztinnen und Psychotherapeutinnen von Hemayat gezeigt, dass etwa bei Anwendungen aus dem Bereich der physikalischen Therapie Vorsicht geboten ist: „Wasser oder elektrischer Strom darf beispielsweise nur sehr vorsichtig in Therapien eingesetzt werden, da beides häufig als Foltermittel verwendet wird“, erklärt Psychotherapeutin Dr. Preitler. Sie appelliert: „In einer Gesellschaft, die sich zu den Menschenrechten bekennt, müssen die psychischen und physischen Schmerzen der Opfer von Krieg und Folter auch ausreichend behandelt werden. Wir helfen den Betroffenen damit, ihr Würde und Gesundheit wieder ein Stück weit herzustellen.“

Der Verein Hemayat hat im Jahr 2018 über 1.300 Menschen aus 51 Ländern betreut. Die Betreuung ist für die Klienten kostenfrei. Der Verein ist auf die finanzielle Unterstützung vieler öffentlicher Institutionen und privater Spender angewiesen. Derzeit ist der Bedarf weit höher als die zur Verfügung gestellten Mittel. Über 600 traumatisierte Menschen befinden sich im Moment auf der Hemayat-Warteliste für Psychotherapie.

B&K – Bettschart&Kofler Kommunikationsberatung 
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